Inmittel des Getümmels

 

Da steht er, inmitten des Getümmels, in jeder Hand ein Bierkrug. Die Finger greifen durch die Henkel und umfassen fest die Gläser. Seine Bewegung ist unterbrochen, hinter ihm, einige Meter entfernt, der Tresen mit dem Ausschank, vor ihm, in gleicher Distanz, der eigentliche Biergarten mit den rustikalen Bänken und Tischen. Ringsherum überall Menschen, lachende, trinkende, rauchende, sprechende, sie legen sich die Arme auf die Schultern, reden und gestikulieren. Eine zähflüssige Masse, die sich in sich bewegt, immer in Aktion. Doch seine Bewegung wirkt wie eingefroren. Sein linkes Bein sogar noch leicht geknickt für den nächsten Schritt. Und das rechte Bein etwas nach hinten versetzt, die Ferse schon vom Boden erhoben. Nur Oberkörper und Kopf neigen in die andere Richtung, sind zur Seite gedreht. Er blickt sich um und blickt nach hinten, den Weg zurück, wirkt irritiert. Beschwingt schlendert ein Pärchen an ihm vorbei, sie fassen sich an der Taille und lachen. In der jeweils anderen, freien Hand tragen beide ein Bier. Langsam, wie in Zeitlupe, dreht er sich weiter um. Derweil gesellst sich das Pärchen zu einer Gruppe. Eine junge Frau beugt sich nach vorne und lacht. Ihre langen brünetten Haare fallen ihr ins Gesicht. Ein junger Mann neben ihr grinst und fasst ihr behutsam an die Schulter. Dann hebt er ein Glas und trinkt ein Schluck. Das Pärchen tut es ihm gleich, prostet aber zunächst in die Runde. Von dem Tresen entfernt sich eine weitere Person: Ein älterer Mann, mit graumelierten Haaren, Vollbart und rosa Polohemd, ein Weißwein in der einen Hand und eine Bratwurst mit Senf und Schrippe auf einem Pappstreifen in der anderen. „Der Nächste bitte!“, die Schlage rückt ein Stück nach vorne. Spielende Kinder rennen lachend und kreischend zwischen den Menschen herum und versuchen sich zu fangen. Neben dem Tresen steht eine Frau und sagt etwas zum Kassierer, der schon das Geld der nächsten Kunden entgegennimmt. Er lächelt sie an, sie lächelt zurück. Sie blicken sich in die Augen, während sie eine Serviette vom Tresen greift. Von der anderen Seite ertönt wieder ein lautes Lachen. Eine Gruppe junger Männer prostet sich zu. Über ihnen ist ein Kabel angebracht mit roten, grünen, gelben Glühbirnen, die den Biergarten beleuchten und in ein exotisches Licht hüllen. Eine Person eilt an der Gruppe vorbei, erst wie eine Silhouette in rot, grün, gelb, jetzt eine junge Frau, braungebrannt im Trägerhemd, das Tattoo einer Rose ziert Ihren linken Oberarm. Zwei weitere Frauen mit weißen T-Shirts und kurzen engen Hosen, folgen. Alle drei stellen sich hinten an der Schlange an und reden von Urlaub und Strand, doch die Wortfetzen verlieren sich im Wirrwarr der Stimmen. Eine Frau führt eine Zigarette zum Mund, die kurz erglimmt, danach wirft sie sich achtlos auf den Boden. Ein Mann bewegt sich zwischen den Tischen durch den Biergarten auf die Frauen zu, geht zu dicht hinter ihnen vorbei, blickt erst auf den Boden und folgt dann dem Schild zur Toilette. „Der Nächste bitte!“, die Schlange bewegt sich. Weitere drei bis vier Personen haben sich in Zweiergruppen angestellt. Er steht weiterhin wie erstarrt da. Sein Blick geht über die Schulter nach hinten und bleibt bei einem Punkt nahe dem Tresen haften, er zieht die Augenbrauen leicht nach oben, seine Augen wirken traurig. Gläser klirren, lautes Lachen. Die Frau mit der Serviette blickt aus den Augenwinkeln und ihr Lächeln erkaltet für einen kurzen Moment. Mit einem unmerklichen Ruck löst sie sich vom Tresen und dreht sie sich herum. Drei, vier hüpfende Schritte, sie streckt sich ihm entgegen, setzt ein Lächeln auf, küsst ihn auf den Mund. In einer einzigen, fließenden Bewegung greift Ihre Hand einen der Bierkrüge, den er ihr gleichzeitig herüberreicht. Mit der anderen Hand umfasst sie seine Taille und macht einen etwas größeren Schritt, als wolle sie ihn ziehen. Energisch blickt sie ihm ins Gesicht. Gemeinsam gehen sie in den Biergarten, tiefer hinein ins Getümmel.