Unsachliche Romanze



Man kann sagen, was man will: Michael und Daniela sind ein rundum verliebtes und glückliches Pärchen. Keine dreißig Jahre alt, verlobt mit festem Einkommen und mitten im Leben. Und er war romantisch, der Heiratsantrag, natürlich von Michael an Daniela, vom Mann an die Frau, und nicht andersherum, auf den Knien und mit unterdrückten Tränen in den Augen, denn er ist ja ein Mann und keine Frau, und überall waren Rosen auf dem Tisch und dazu zwei Gläser Rotwein und ein staubtrockener Fisch, naja, das nächste Mal koche ich wieder selbst, aber wie lieb von dir, Michael. Daniela, wir kennen uns nun schon zwei Jahre und da wird es doch langsam Zeit, und weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben, damals beim Kegeln mit meinen Arbeitskollegen, du Pudelkönigin der Herzen. Ja, ich will, ja, ich auch, Küsschen und verlobt. Liebevoll haben sie ihr Eigenheim eingerichtet, denn home is where your heart is, steht auch über der Tür, und mit solidem Einkommen und nettem Freundeskreis könnte das Leben doch gar nicht schöner sein. Wer wäre da nicht ein bisschen neidisch? Sind meine Freundinnen bestimmt auch, denn stattlich sieht er aus, mein Michael. Als Business-Mann trägt er gern Krawatte und fährt im seinem Audi zur Sparkasse, wo seine Kollegen ihn freundlich grüßen, und wenn es gut läuft im Biz, gibt es auch mal High-five, wie beim Kegeln, nur professioneller. Und wenn er nach Hause kommt, dann ist er erschöpft und die beiden gucken die Nachrichten, Fußball oder Netflix und dann kuscheln wir, bis das iPhone klingelt und Michael sich glatt rasiert, außer seinen Kinnbart, den er sich hat stehen lassen und mit Liebe pflegt und mit einem verschmitzten Lächeln beiläufig „Goatee“ nennt, wenn meine Freundinnen darüber kichern. Kurz: Er ist auf seinen Goatee genauso stolz, wie Daniela auf ihre Pipsi, die freche Cairn Terrier Dame, die sie heiß und innig liebt und auf die Michael so manches mal ein bisschen eifersüchtig ist – aber nur im Spaß, denn auch Michael liebt Pipsi. Und wenn die zukünftigen Schwiegereltern zu Besuch sind, dann gibt es beiderseitig keine Probleme und am meisten freut sich Pipsi über den Besuch; schau nur, wie sie herumtollt und sich auf den Rücken wirft und mit ihren süßen Hundeblicken bettelt, nein, Pispi, hör auf, ich könnt mich kringeln vor Lachen. Nur, dass es ihnen mit der Hochzeit und den Enkelkindern nicht schnell genug gehen will, naja, aber das müssen die jungen Leute selber wissen, da mischen wir uns nicht ein. Muss Liebe schön sein.


Trotzdem, an einem unglückseligen Mittwochmorgen am Frühstückstisch wendete sich dieses betonschwere Glück. Er beim Wirtschaftsteil, sie bei der Illustrierten, als er sich plötzlich, wie aus heiterem Himmel, zu ihr herüberbeugte, sein Marmeladenbrötchen auf den Teller sinken ließ und mit vollkommen ernster Miene zu ihr sagte: „Weißt du was, du dumme Schlampe: Du bist auf dem besten Weg, mein gesamtes Leben zu versauen. Hoffentlich kratzt du bald ab und deine beschissenen Eltern und die verdammte Töle gleich mit!“


Nach diesen harten Worten lehnte sich Michael wieder zurück, nahm einen hungrigen Bissen von seinem Marmeladenbrötchen und las weiter in der Zeitung, als sei nichts geschehen. Verständlicherweise war Daniela verwirrt. Wie sollte sie sich in dieser Situation bloß richtig verhalten? Sollte sie ihn vielleicht noch mal darauf ansprechen – und woran lag es bloß, dass er so schlecht gelaunt war? Einer Freundin anvertrauen, wollte sie sich zuerst nicht – das Getratsche – aber schließlich nach zwei Wochen mit unruhigen Nächten und verunsicherten Tagen, in denen alles lief wie bisher, schüttete sie doch einer Freundin ihr Herz aus. Diese riet ihr, dieses unangenehme Verhalten auf sich beruhen zu lassen, wofür Daniela sich letztlich auch entschied, denn auch Michael sprach nie wieder davon.